07.10.2004
Erfahrungsbericht über die Teilnahme an der Deutschen SchülerAkademie 2004
Es begann im März 2004, als ich durch die Schulleiterin der Deutschen Schule Toulouse, Frau Kunert,
sowie meine Klassenlehrerin Frau Dr. Knust für die Teilnahme an der Deutschen SchülerAkademie (DSA)
empfohlen wurde. Kurz darauf hatte ich das Glück, zu den 630 von 1400 Bewerbern zu gehören, die
angenommen wurden. Damals ahnte ich noch nicht, dass mir ein beeindruckendes und prägendes Erlebnis
bevorstand.
"Die Deutsche SchülerAkademie [...] steht unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten und wird
gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und vom Stifterverband für die Deutsche
Wissenschaft. Der Verein Bildung und Begabung e.V. ist verantwortlich für die Organisation und
Durchführung der Akademien" (1).
Sie findet jährlich an unterschiedlichen Standorten statt, an denen
es jeweils 6 verschiedene Kurse gibt. Während dieser Zeit können sich die - in der Regel von ihren
Schulleitern vorgeschlagenen - Oberstufenschüler (aus den Klassen 11 und 12) in den Kursen mit einem
bestimmten Thema auseinandersetzen und in Gruppen zusammenarbeiten, wobei ihnen jeweils zwei sehr
kompetente Kursleiter, die teilweise Doktoranden oder sogar noch Studenten sind, behilflich sind.
Ich nahm an meinem Wunschkurs "Pocken, Pest und Polio" teil, der vom 29. Juli bis 14. August in
Braunschweig stattfand. Die Akademieleitung übernahmen dort Prof. Dr. Hartmut Rosa und Franziska
Kronfoth.
Ziele der Akademie
Zu den Zielen der SchülerAkademie gehört, "zwischen Schule und Universität eine Brücke zu schlagen,
das Bildungsangebot der Schule zu ergänzen und zu vertiefen, auf die Anforderungen des Studiums
vorzubereiten, an die Formulierung wissenschaftlicher Texte heranzuführen, Methoden des
wissenschaftlichen Arbeitens zu erlernen und dabei auch die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit zu
erkunden und erfahrbar zu machen."(2)
Darüber hinaus wurde uns Teilnehmern von Anfang an deutlich vor Augen geführt, dass man uns vertraut
und keiner die Absicht hat, uns zu kontrollieren und zu sagen, was wir zu tun bzw. zu lassen haben;
vielmehr wurde an das Engagement jedes Einzelnen und die Vernunft, einige Regeln einzuhalten,
appelliert.
Ein Beispiel: Für den individuellen Bedarf war es den Teilnehmern möglich zusätzliche Getränke zu
kaufen. Es standen immer zahlreiche Kisten mit unterschiedlichen Getränken zur Auswahl bereit.
Jeder konnte sich dort etwas kaufen. Das Wichtige hierbei ist, dass die Kasse immer offen und
unbeaufsichtigt daneben stand. Jeder hätte ungehindert unbezahlte Getränke sowie Geld an sich nehmen
können. Aber am Ende der Akademie fehlten der Kasse von einigen hundert Euro nur neun Euro.
Ein weiteres Anliegen der Akademie bestand darin, die Teilnehmer zu sogenannten "supererogatorischen
Leistungen" anzuspornen, d.h. Dinge zu tun, die niemand von einem verlangen kann, die aber für die
Allgemeinheit von Nutzen sind. Ganz einfache Beispiele hierfür sind das freiwillige Aufräumen nach
einer Veranstaltung oder aber das aktive Mitwirken bei einer solchen. Eng damit verbunden war der
Gedanke, dass uns quasi alle Möglichkeiten zu zusätzlichen Veranstaltungen offen standen, es aber an
uns war, die Dinge in die Hand zu nehmen.
Um das kollegiale Verhältnis zwischen Kursleitern und Teilnehmern zu unterstützen, wurde sehr viel
Wert darauf gelegt, dass man sich duzte.
Der Tagesablauf
Jeder Tag begann mit einem gemeinsamen Frühstück. Daran schloss sich das Plenum an. Hierbei kamen die
über 100 Teilnehmer zusammen und besprachen den Tagesablauf sowie die Ereignisse des Vortags.
Auf besondere Leistungen bzw. Fehlverhalten wurde durch die Akademieleitung aufmerksam gemacht.
Aber es wurde auch mitunter gesungen, bis alle wach und motiviert den Tag beginnen konnten und die
Nachwirkungen der durchweg kurzen Nächte beseitigt waren.
Anschließend ging man in seinen Kurs, um dort bis zum Mittagessen zu arbeiten. Eine kurze Kaffeepause
war dabei immer eingeplant, während der man sich wieder mit Teilnehmern aus anderen Kursen treffen
konnte. Ab 14.00 Uhr hatte man zwei Stunden zur individuellen Gestaltung frei, welche meist mit dem
breitgefächerten Angebot der kursübergreifenden Angebote (KüAs) ausgefüllt waren. Im Atrium fand z.B.
täglich der Chor von 14.00-15.30 Uhr statt. Nach einer Kaffeepause ging ab 16.30 Uhr die eigentliche
Kursarbeit für ca. 2 Stunden weiter. Auf das Abendessen folgte ein langer Abend mit interessanten
Vorträgen und vielen KüAs. Zur Stärkung gab es ab 23.00 Uhr noch ein Mitternachtsbüffet.
Es muss erwähnt werden, dass die meisten KüAs von Schülern geleitet wurden. Da es ein so großes,
interessantes Angebot gab, überschnitten sich einige Projekte zeitlich und es war oft nicht leicht sich
für eines zu entscheiden. So gab es neben dem Chor ein Orchester, ein Improvisationstheater, einen
Tanzkurs, Judo, Joga, Kreistänze, einen Zeichenkurs, einen Ägyptischkurs und zahlreiche Basket-,
Volley- und Fußballspiele. Aber auch eine Nachrichtengruppe entstand, die die anderen immer über das
neueste Geschehen aus aller Welt informierte. Gegen Ende traf sich eine DSA-T-Shirt-Gruppe, um das
"Teilnehmer-T-Shirt" zu entwerfen. Auf diesem nimmt das Motto "supererogatorisch" einen zentralen
Platz ein.
Sehr hilfreich war ein Studienberatungsabend, an dem die Kursleiter uns auf dem Herzen liegende Fragen
beantworteten und von ihren eigenen Studienerfahrungen berichteten. Damit gaben sie uns neue
Perspektiven und es konnten sich auch eigene Ideen festigen.
Wie das Arbeiten im Kurs organisiert war, hing stark vom Kursthema ab. Man kann sich leicht vorstellen,
dass der Kurs "Hyperbolische Geometrie" anders ablief als der Kurs "Musik im Film". Allerdings gab es
eine gemeinsame kursübergreifende Rotationsphase. Hierbei trugen jeweils kleine Gruppen aus einem Kurs
den anderen Teilnehmenden (während ca. 50 Minuten) vor, mit welchen Themen sie sich beschäftigen.
Auf welche Weise dies geschah, war sehr unterschiedlich. Oft waren Vortrag, Praxis, Quiz und Diskussion
miteinander verknüpft.
Pocken, Pest und Polio
Im Folgenden will ich etwas genauer auf die Arbeitsweise in meinem Kurs "Pocken, Pest und Polio"
eingehen. Das Ziel des Kurses war Infektionskrankheiten nicht nur aus biologischer, sondern auch aus
esellschaftlicher und wirtschaftlicher Sicht zu betrachten. Diese Gebiete wurden auch durch die
Kursleiter Lucie Dörner (Biochemie) und Johannes Abeler (Volkswirtschaftslehre) repräsentiert, die
gerade beide an ihren Doktorarbeiten schreiben.
Um uns Teilnehmern die Idee des "Brückenbauens" zwischen den Bereichen näher zu bringen, lernten wir
uns am ersten Abend im Kurs während des Brücken-Bastelns, bei dem unsere Kreativität gefragt war, auf
lustige Weise näher kennen.
Der nächste Tag begann mit einer kurzen Einführung und Wiederholung des menschlichen Immunsystems
durch die Kursleiter. Anschließend wurden wir meist durch ein Teilnehmer- oder Kursleiterreferat in die
einzelnen Themen eingeführt; darauf folgten Diskussionen und Vertiefungen.
Zum Akademieprogramm gehörte auch ein Exkursionstag, bei dem u.a. unser Kurs die Möglichkeit hatte,
nach Berlin zu fahren und den Pharmakonzern "Schering" zu besuchen, der auch an der Finanzierung der
Braunschweiger Akademie beteiligt war. Für mich war dies ein besonderes Erlebnis, nicht nur, weil es
sehr aufschlussreich war, einen kleinen Einblick in ein solches Unternehmen zu bekommen, sondern auch,
weil ich noch nie in Berlin war und so ein bisschen von dieser Stadt sehen konnte.
In einer Projektphase sollten wir uns in kleinen Gruppen zusammentun und uns mit einem noch nicht
besprochenen Thema beschäftigten. Dazu gehörte u.a. auch ein Interview mit einem HIV-Infizierten.
Was die Art der Präsentation unserer Themen betrifft, war unserer Phantasie keine Grenzen gesetzt.
Von Vorträgen, einem Fotoroman bis hin zu kleinen Theaterstücken war alles vertreten. Ziel jedes
Kurses war es, eine abschließende Dokumentation zu erstellen, für die teilweise bis in die
Morgenstunden gearbeitet wurde.
Fazit
Abschließend muss ich sagen, dass für mich diese Zeit eine ganz tolle Erfahrung war. Besonders gut hat
mir das äußerst offene und tolerante Klima gefallen, das es möglich machte mit den unterschiedlichsten
Persönlichkeiten zusammenzuarbeiten, Dinge zu organisieren und vieles zusammen zu erleben.
Dabei sind Freundschaften entstanden, die sicherlich die Akademiezeit überdauern werden. Auch hätte
ich nie gedacht, dass man so viel in so kurzer Zeit mit so viel Spaß und so wenig Schlaf machen kann.
Genauso beeindruckend wie der erwartungsvolle und für viele Teilnehmer etwas unsichere Start war für
mich das Ende, bei dem rund 100 Schüler sich oft in Tränen aufgelöst voneinander verabschieden mussten
und das Gefühl nicht loswurden, 17 Tage in Utopia gelebt zu haben.
(1) aus: Deutsche SchülerAkademie - Programm 2004; weitere Informationen sind zu finden unter: www.schuelerakademie.de
(2) aus: Deutsche SchülerAkademie - Programm 2004, Seite 3